Die ungarische Sammlung

ungarischerZettel

 

Bausteleimaschine (auch defekt)

 

„Wir transportieren Ihr Auto Kostenlos das Aßuser Verkher gesetzt wurde!!!“, stand auf dem windigen Zettel im Briefkasten meiner Großmutter. Und was da noch alles  für die „Ungarische Sammlung organisiert am 21. Oktober“ benötigt wurde: Implattfelgen, Rasenmäher, Kettensagen, Gestrüp scnittmeister,  electronic und benzin, Mischmaschinen.

Meine Großmutter war ratlos. Kettensagen? Wir kannten ja Heldensagen und Göttersagen, auch Ortssagen sind dem Sagenkundigen durchaus bekannt. Aber Kettensagen? Sollten das diese so genannten Urban Legends sein, die durch das Internet geistern und immer weiter verschickt werden? Wir studierten den kleinen Zettel mit seinen verschwommenen rosa Buchstaben weiter. Auch eine Waduhr wurde gesucht. Was war  das nun  schon wieder? Vielleicht ein wasserdichter Zeitmesser, mit dem  man im Watt waten kann? Vorsichtshalber schaute ich im Keller nach, fand aber nur eine Wasseruhr, und die wollten die ungarischen Sammler ja nicht. Wir studierten die Liste  weiter: Gesucht wird eine „Bausteleimaschine (auch defekt), sowie einen „Ofen mit Kamin“.

„Ofen, ist das nicht eine Stadt in Ungarn?“, fragte meine Großmutter, „und die haben da keine Kamine? Enkelchen“, befahl sie kurz entschlossen, „wir helfen diesen armen Menschen!“ Da  klingelte es  auch schon.

Ein Mann mit rotem Hütchen, Pelzweste und Rauschebart hatte nicht nur einen scrottreifen (auch defekt) Transporter in den Hof gestellt, sondern auch gleich den Fuß in die Tür. Bevor ich etwas sagen konnte, sprudelte er auch schon los: „Haben Du Led Monitor?“ Ich war etwas unschlüssig  und brachte ihm eine Platte von Led Zeppelin  an die Tür: „Da schauen, Sie Led!“ „Du bled“, sagte er,  „ich brauchen keine Platte,  ich  brauche Kleide, Schuhe, Bedwasche!“  Er redete sich in Rage. „Bed, nicht Led, du verstehen?“  Wütend drückte er sich unter meinem Arm durch,  fegte durch den Flur und verschwand im Wohnzimmer.

„Bruch Gold Schmucke, Photoaparat (auch defekt)!“, hörte ich es eine Zeitlang zwischen den Polstergarnituren und  der altdeutschen Schrankwand  meiner Großmutter bellen. Offensichtlich hatte er nichts Passendes für die ungarische Sammlung gefunden,  denn nach wenigen Minuten öffnete sich die Wohnzimmertür einen  Spalt und der Kopf des ungarischen Sammlers ragte hervor. „Wo ist Kompressor, Sterimo? Und ein Kolter, du haben Kolter?“ Wie gut, dass ich immer meinen Impfpass in der Tasche trug:  „Nein, ich habe kein Kolter.“ Da  verlegte er sich aufs  Betteln: „Aber Briederchen,  etwas du doch geben für arme Mann aus Pußta-Wald.  Ich nehmen auch Zapfen, Kupfer, Aluminium Stücke.“  Der gute Mann  dauerte mich.  Ich schenkte ihm meinen Restvorrat an Ostmark, und er zog ab.

Seit der Zeit kommt er alle drei Wochen wieder, und ich gestehe es, meine Großmutter und ich wir freuen uns herzlich darüber.

Neulich zeigte ich ihm die elektrische Kaffeemühle von Onkel Fritz und erklärte ihm: „Kompressor, Sterimo schön laut!“ Er lachte verzückt. Die alte elektrische  Dauerwellenbrennschere von Tante  Berthild  bezeichnete ich rücksichtslos als Fotoapparat. Erst wollte er sie nicht annehmen und wir diskutierten, bis ich die erlösenden Worte  fand:  „Photoaparat (auch defekt)“,  worauf er das Gerät beglückt einsteckte.  Es gehört so wenig dazu, einen armen Mann  aus fremdem Land fröhlich  zu  machen. Glück und Freude zu schenken, das ist es doch, was unser Leben sinnvoll und reich macht.

Nur einmal zweifelte ich daran, dass diese ungarische Sammlung überhaupt stattfindet. Denn es gibt einen starken Hinweis darauf, dass er den „Photoaparat (auch defekt)“ gar nicht nach Budapest gefahren, sondern für sich behalten hat. Als er an einem regnerischen Tag im Spätherbst klingelte, standen ihm die Haare zu Berge, und sie rochen leicht verbrannt. Aber vielleicht hat er die  Haare auch nur in den Kamin gebracht. Die haben sie ja jetzt sicherlich in Ofen.

Schnee von Gestern — die Schlacht des Winters ist geschlagen — Januar, Februar 2015

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Gib mir ein Wort

 

Du warst mir wie Schnee an den Buchen und Blättern
und hülltest mich ein
ich fror nicht

Das ersparte mir vieles
Danke für Wärme und Weisheit,
für Abstand und den Duft deines Haars.

 

Guck dort am Briefkasten!
ein Efeublatt ruhte im Eis.
Von den Mauern bog sich der Rauch herab
das Wirtshausdach färbte sich weiß.

Die Jäger tranken in Maßen,
vor uns dampfe der Tee
Ihre Spuren furchten die Straßen,
die Fußstapfen füllte der Schnee.

Wir redeten, wir wussten es,
und fanden Sätze, die uns übersteigen
Die Opfer reden sich die Angst vom Leib
die Jäger aber schweigen.

Weiße Schollen froren am Ufer,
die Kälte stoppte die Zeit
Das Wasser war seicht und ich spürte
zwei Fingerspitzen voll Ewigkeit.

Stolz war der Schnee auf unseren Wegen
Komm Geliebte, wir werden zu Leben!
Die Jäger aber schweigen,
wenn ihre Waffen auf die Opfer zeigen.

Wir suchten die Zeit, doch sie fiel nicht,
sie hatte ihr Ufer verlorn
Wir prüften das Eis, doch es hielt nicht,
der Bach trug die Schollen davon.

Der Schaum trieb auf dem Wasser,
die Wiesen versanken im Schnee
Die Jäger standen schweigend,
dort wo sich die Bäume neigen.

Das Wasser wuchs aus dem Felsen,
eine Orgel aus Eis überm Bach
Die Musik ging uns nach
Nur Tränen konnte sie schmelzen.

Wir hielten uns an den Händen,
die Jäger visierten gebückt
Sie schwiegen wie wir ihre Worte
Wir hofften auf unser Glück.

Als die Sonne kam, sind wir gegangen,
die Jäger hörten uns nicht.
Wir standen da, ganz befangen
zum ersten Mal im Licht.
Und küssten uns nicht.

 

 

Fischen Impossible

Mit  den aquatischen Wirbeltieren des Landkreises Esslingen  geht es steil aufwärts.

Esslingen Die Fischtreppen an den Stauwehren im Kreis Esslingen sind seit vielen Jahren ausgebaut worden. Es gab aber auch Rückschläge, besonders was die Benutzerfreundlichkeit anbelangt. Und auch Stromschläge: die naheliegende Idee, komfortable Fischrolltreppen zu errichten, hatte zwar der Verband deutscher Rollmöpse ausdrücklich begrüßt, doch war es bauart-bedingt unter Wasser immer wieder zu Kurzschlüssen gekommen, was zwar die Population von Zitteraalen begünstigt hatte, sie passten als standortfremde Fische aber nicht ins ökologische Konzept der unteren Naturschutzbehörde.tempx_fische_nase_g

Fische, die ja bekanntlich deswegen Schuppen haben, damit sie ihre Fahrräder unterstellen können, beklagten zudem,  die rechteckigen Stufen seien so hoch, dass sie mit ihren Mountainbikes nicht mehr zu bewältigen seien. Die Idee des Esslinger Fischereivereines, jene Fische vor dem Aufstieg zu Fischstäbchen zu verarbeiten, um günstige anatomische Voraussetzungen für die Treppenstufen zu schaffen, wurde jedoch von den Kiemen-Bikern brüsk zurückgewiesen.

Auch die Bürgerbeteiligung ist nicht recht in Schwung gekommen: Die Karlsruher Mediatorin Petra Haddock meinte, viele der eingeladenen Fische seien einfach stumm geblieben. Und nicht nur das: bei der Idee, Netze zu bilden, hätten viele geradezu panisch reagiert. Die Partei der Gründelfische und die Schellfisch Partei Deutschlands (SPD) hatten in einem Aufsehen erregenden Vorstoß vorgeschlagen, die Fischtreppe komplett zu überdachen, damit die Tiere nicht etwa nass würden, wenn es regnete, doch hatte die CSU, die Christliche Seefahrer Union, den Vorschlag aus Kostengründen abgelehnt.

Trotz dieser mannigfachen Hindernisse ist jetzt am Esslinger Rossneckar eine weitere Fischtreppe errichtet worden. Die Stadtverwaltung arbeitet nun auf eine bessere Akzeptanz hin. In einem Lehrfilm will sie der einheimischen Flossenpopulation die Gefahren von Stauwehren und die Vorteile der Fischtreppen dartun, sein Arbeitstitel lautet „Fischen impossible“.

Sieben Stimmen unisono

Straßenmusik wird störend oft empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden. Besonders stört sich daran unser gestresster Redakteur Ulrich Stolte. Clarinet_in_Eb

 

Esslingen – Kennen Sie auch diese mindestens siebenköpfige Familie, die unisono in irgendeiner romanischen Sprache derart ihr „Aiaiaiai“ durch die  Fußgängerzone bellt, dass es die Scheiben reindrückt? Während ich die Glassplitter aufhob und mich fragte, ob der Rauchmelder angesprungen sei, konnte ich sie sehen. Papa mit Gitarre und Sombrero, die Mama und die blühende Kinderschar einträchtig am Postmichelbrunnen: „Aiaiaiaia. . . “

Auch der Ordnungsamtsleiter  hatte sie schon gehört. „Ach, Sie meinen die mit den schrillen Stimmen?“ Sein Versuch, die mindestens siebenköpfige Familie statt des Hagelfliegers zur Vertreibung von Unwetterwolken einzusetzen, scheiterten am Votum der Weingärtner, die fürchteten, dadurch werde der Silvaner sauer. Stattdessen wurde ich sauer. Sie sangen weiter. Stunden-, tagelang. „Ich kann so nicht arbeiten“, brüllte ich meinen Chef an, doch ich stieß bei dem guten Mann auf taube Ohren. „Was? Ich hör nichts, wegen Aiaiaia da draußen.“ Jeden Tag kamen sie. Und eines Tages, irgendwann im November, war Ruhe. Sie mussten weitergezogen sein.

„Aiaiaiaia . . .“

Endlich konnte ich jene mitfühlende Geschichte über das schwere Schicksal von Migranten in Deutschland beginnen, die mir, ich spürte es in den Fingerspitzen, den deutschen Reporterpreis einbringen würde. Ich schloss die Augenlider, ließ vor meinem inneren Auge den ersten Satz entstehen, ein Fanal gegen die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.

Es schepperte metallisch. Da blinkte ein Notenständer unter dem Balkon des Palmschen Baus, dann wurde ein Kistchen für die Almosen aufgestellt. Es war eine Band aus Rumänien mit einer gilfigen Klarinette, die so sehr gilfte, dass ich nach zehn Minuten „Anatevka“ im höchsten Zorn von der Balustrade brüllte: „Verschwindet endlich!“ Das Publikum drohte mir mit Fäusten, nur die Nachbarn applaudierten und diese blühende mindestens siebenköpfige Familie. Sie war froh, dass der schöne Platz unter dem Balkon wieder frei war. „Aiaiaiai“, schrillten sie dankbar.

. . . singen sie den ganzen Tag

Sie dröhnten mir das Hirn raus. Ich verwechselte Magstatt mit Bagdad, bezeichnete den OB Jürgen Zieger als Bürger King, hielt Francois Hollande für eine Käsesorte und schrieb vom Abstieg des Veh, nachdem er den Trainer Armin VfB rausgeworfen hatte. Und unten bellten sie, unablässig, immer und immer wieder: „Aiaiaiaia!!!!“ mit diesen schrillen Stimmen, die mindestens Siebenköpfigen. Nach zehn Stunden Dauerbeschallung torkelte ich auf die Straße. Dann erlosch die Erinnerung. Ich weiß nur noch, dass ich schrille Stimmen hörte, als ich dem Clanchef die Gitarre um den Hals wickelte.

Dem Richter erzählte ich etwas von akustischer Notwehr, dem himmlischen Petrus etwas von „Ohr um Ohr“, nachdem ich als Mitglied der Gefängniskapelle einen Schlaganfall erlitten hatte. Petrus blieb unerbittlich. Wenigstens erleichterte er die ewige Verdammnis und das Höllenfeuer dadurch etwas, dass er mir ewige Gesellschaft gewährte: Undeutlich sah ich durch den Schwefeldampf des Höllentopfes eine mindestens siebenköpfige Familien in die Küche treten: „Aiaiaiaia . . . “

 

Acht Plochinger kreisen im Weltall

 

 

Ulrich Stolte, 12.11.2014 20:00 Uhr

Universum/Plochingen – Dorthin, wo noch nie eines Menschen Augen geblickt haben, sehen zurzeit acht Plochinger. Die acht Keramikbauteile der Firma Ceram Tec schweben in 22,5 Kilometer Entfernung vom Kometen Tschurjumow-Gerassimenko, etwa 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, im Kühlschrank des Weltalls, bei fast minus 273 Grad Celsius. Die Sonde Rosetta untersucht mit ihrer Hilfe den Kometen. Sie hat auch eine Scheibe aus Metall an Bord, die Rosetta-Scheibe, auf der alle Sprachen der Welt gespeichert sind, außer Schwäbisch.

 

Pfälzisch ist auch nicht darauf, aber Gerhard Schwehm aus Ludwigshafen bedauert das nicht. Er ist seit 4.45 Uhr wach, um sein erstes Interview zu geben, und erklärt wieder und wieder, wie die Mission aussieht: Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist es Wissenschaftlern und Technikern gelungen, eine Sonde in eine stabile Umlaufbahn um einen Kometen zu bringen, und zum ersten Mal soll es gelingen, eine Landeeinheit auf dem Kometen abzusetzen, ein 100 Kilogramm schweres dreibeiniges Teil mit dem Namen Philae.

Rosetta bleibt in der Umlaufbahn

Schwehm hat knapp 30 Jahre seines Lebens den Kometenprojekten der Esa gewidmet und ist vor einem Jahr in Rente gegangen. Für diese Mission ist er noch einmal ins Esa-Kontrollzentrum nach Darmstadt zurückgekehrt.

Ziemlich unstete Burschen sind es, die Kometen, die in großen Schwärmen unsere Sonne umkreisen. Unvergessen der Komet Hale-Bopp im Jahr 1997, dessen Schweif den ganzen Himmel erhellte. Das kosmische Feuerwerk entsteht, wenn ein Komet der Sonne zu nahe kommt und von seiner Oberfläche Materie aufsteigt und Gas, das im Sonnenwind ionisiert wird, wie die Gase einer Neonröhre. Dieses Phänomen kann der Landeeinheit Philae gefährlich werden und sie regelrecht von der Oberfläche des Kometen wegwehen.

Egal aber, was mit ihr passiert, der Orbiter Rosetta wird in der Umlaufbahn um den vier Kilometer langen Kometen bleiben. Die Technik der Rosetta hat mehr antike Namen, als in Gustav Schwabs gesammelten Sagen des klassischen Altertums stehen. Etwa der Apparat Midas, der den gleichen Namen trägt wie der phrygische König Midas, der alles, was er anfasste, zu Gold verwandeln konnte.

Philae landet auf dem Kometen

Der Midas der Mission sieht aus wie ein Diaprojektor. Vorne durch das Objektiv weht Kometenstaub hinein, der auf einer Metallscheibe festgehalten wird. Dann treten die acht Aktoren der Ceram Tec in Aktion. Wer ein Feuerzeug kennt, kann sich in etwa vorstellen, wie sie funktionieren. Drückt man auf die piezoelektrische Zündung des Feuerzeugs, entsteht ein Funken. „Dieser Effekt lässt sich umkehren“, sagt Stefan Höhl, der Pressesprecher von Ceram Tec. Wenn man einen Strom an die Keramik-Aktoren legt, dann werden sie im Nanobereich kleiner. Damit können Nadeln gesteuert werden, die nicht viel dicker sind als ein paar Atomlagen. Sie tasten die Oberfläche eines Kometenstaubkorns ab, wie die Fingerspitzen eines Blinden die Brailleschrift ertasten, und liefern Bilder, die tausendmal schärfer sind als die eines herkömmlichen Mikroskops, und können eine Fläche von vier Nanometern abtasten.

Hunderte von Journalisten schwirren den ganzen Tag durch das weiße Esa-Zentrum in Darmstadt. Sie bestaunen das Modell, die dort ausgestellten Satelliten, kaufen sich Souvenirs im Esa-Shop, wo es Mützen, Aufnäher und Parkscheiben mit Esa-Aufdruck gibt.

Eine Parkscheibe hat der Lander nicht dabei, wenn er wie geplant ein paar Monate auf dem Kometen parken wird – sofern alles gut läuft.

Von 12 Uhr an haben die Steuermänner im Kontrollzentrum eine Ellipse von 200 Metern berechnet, innerhalb derer die Philae aufschlagen wird. Maßarbeit. Die Schätzungen der Wissenschaftler werden optimistischer. Hatten viele zunächst nur an eine 50:50-Chance geglaubt, wird es im Laufe des Nachmittags eine 80:20-Chance. Eine Sonde eines Landesystems liefert falsche Werte. „Das heißt nicht, dass das Landesystem ausfällt“, sagt Gerhard Schwehm, „und selbst wenn es ausfällt, ist die Mission noch nicht gefährdet.“

Die Wissenschaftler jubeln über die geglückte Mission

Der Chef der Esa erscheint, Jean-Jacques Dordain: „Wir haben nicht nur etwas getan, was noch niemand tat, wir haben auch etwas gewagt, was noch niemand gewagt hat“, sagt er. Um 16.24 Uhr twittert William Shattner nach Darmstadt: „Fingers crossed, Daumen drücken!“, schreibt der Mann, den die Menschheit als Captain Kirk kennt. Er hat seine Missionen längst erfüllt, Philae fliegt noch wenige Minuten.

Dann senkt sich Stille über den Konferenzraum: Die Wissenschaftler kommen in den Raum und mischen sich unter die Fernsehteams. Gemurmel. Es ist kaum noch möglich, auf die Übertragungsschirme zu sehen. Jetzt gehen im Kontrollraum in Darmstadt die Hände hoch. Sie haben es geschafft. Die Leute reißt es von den Sitzen, Jean-Pierre Bibring, der Chefwissenschaftler der Landeeinheit, schießt einen Sektkorken ab. Monika Jones, die Moderatorin der Pressekonferenz, ruft befreit: „Philae ist gelandet. Wir sitzen auf der Oberfläche des Kometen!“

Die Nervosität steigt noch einmal an

Knapp 250 Jahre alt ist die Theorie zur Entstehung des Sonnensystems. Der Philosoph Immanuel Kant und Pierre Laplace haben sie entwickelt. Aus kosmischem Staub hätten sich demnach die Planeten und die Sonne zusammengeklumpt. Als Überreste dieser Staubwolken gelten die Kometen, und wer ihre Zusammensetzung kennt, der kennt auch die Frühzeit des Sonnensystems, folgert die Theorie.

Gegen 17.30 Uhr gibt es noch einmal eine Übertragung in den Konferenzraum. Die Landung sei gut verlaufen, heißt es, aber die Harpunen hätten nicht gezündet, die Sonde habe sich nicht verankert. „Oh, mein Gott!“, stöhnt ein Wissenschaftler, doch die Mission hat Glück, die Sonde bleibt auf dem Kometen stehen.

Damit können vermutlich alle Experimente durchgeführt werden, die auf dem Lander und die in dem Rosetta-Orbiter und dem Experiment Midas geplant sind. Wenn es den Kometenstaub erforscht, kann es vielleicht die Frage beantworten, wie das Sonnensystem tatsächlich entstanden ist. Vielleicht findet es Aminosäuren, die Grundbausteine des Lebens, und damit kann es die Frage beantworten, woher wir kommen. Die acht Plochinger Aktoren indes wissen, woher sie kommen: von der Firma Ceram Tec. Und sie wissen auch, wohin sie gehen, wenn die Mission beendet ist. Sie werden als neue Himmelskörper die Sonne umkreisen.